Grundzüge
der atheistischen Gesellschaft in einer
postkommunistischen
Analyse festgehalten
1. Ist der Atheismus überwunden?
Um es
gleich vorweg zu
nehmen: Die kommunististische
Gesell-
schaft, oder jene, die sich als das ausgaben, hat
ihren Namen zu
Unrecht getragen!
Vergleicht man die vita
communis der ersten
Christen - sie wurde durch den Glauben an den einen Herrn Jesus
Christus geprägt -, ist unschwer erkennbar, dass sie die ersten
"Kommune-Bewohner" waren. So lesen wir in Apg 2,42f.: "Die
Chri-
sten verharrten in der Lehre der
Apostel und in der brüderlichen
Gemeinschaft, im Brotbrechen und in den Gebeten. Alle
Gläubigge-
wordenen aber hatten alles miteinander gemeinsam. Sie verkauften
ihren Besitz, ihre Habe und
verteilten sie an alle, je
nachdem
einer bedürftig war." Beim Lesen dieser Stelle muss man zwangs-
läufig an den Kommunismus denken. Auch hier "verharrten" die
An-
hänger
"in der Lehre" ihrer
"Apostel" (Marx, Lenin, Stalin,
Mao,
um nur die profiliertesten dieses
"Apostelkollegiums" zu
erwähnen) und in einer spezifischen
Gemeinschaft, deren Ideologie
auf
dem (Glaubens)Bekenntnis des
Atheimus (Gott-Losigkeit) auf-
ruhte.
Nur in minimalster Weise bezog man sich auf
ein Wirt-
schaftssystem. Kommunismus
verstand sich immer in erster
Linie
als Religion, die
mit dem Anspruch der Ausschliesslichkeit auf-
trat,
bereit, wie im Bauernkrieg nach der Reformation, dem ande-
ren
beim kleinsten Widerstand den
Schädel zu zertrümmern. Ver-
gleicht man in diesem Sinne den Kommunismus mit der "Kommune"
(Gemeinschaft) der nachapostolischen Zeit, sind
die Parallelen
nur rein äusserlicher Natur.
Darum lautet heute die so aktuelle
Frage: Ist nur der Kommunismus
allein, oder
ist mit ihm auch der
Atheismus überwunden? Doch,
kann man beides voneinander trennen? War
nicht im Kommunismus
gerade der Atheismus die
staatstragende Religion, der alle Reli-
gionen
weichen sollten? Die
"Gläubiggewordenen" im
Kommunismus
wurden kurzerhand zu "Höriggewordenen", denen jede "brüderliche
Gemeinschaft" abging.
Hingegen die "Gläubiggewordenen" der Apo-
stel folgten der Lehre Christi, der
allein von sich sagen konnte:
"Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben!"
2. Atheismus - der Glaube ohne Gott
Was Religion ist, das wissen wir ja
alle: Religere = (lat). rück-
binden. Sich rückbinden lassen. Freiwillig angebunden sein. An
etwas.
An jemanden. An Normen. An
Schranken. Eine schrankenlose
Freiheit kennt
die
"Rückbindung-Religio"
nicht! Garantierte
Freiheit kann es nur in Schranken geben. Diesem philosophischen
Prinzip ist die Religion genau so wie
jede Ideologie unterworfen.
Jede Ideologie muss, wie
auch die Religio, von jedem
einzelnen
Menschen in
Freiheit bejaht werden.
Eine Ideologie, die die
natürlichsten Schranken
durchbricht - jene
Schranken, die
Allgemeingut des
Menschen sind: Gottesglaube, Sittlichkeit,
ewiges Leben -, verfällt in den Trancezustand der Hetze und der
Ablehnung, der Verfolgung des anderen und der totalen negativen
Einstellung, Verneinung des Lebens.
2.1. Kommunistische Ideologie und die
prozessweise Entwicklung
Wir sagten schon, dass Atheismus und Kommunismus sich
gegenseitig
bedingen; eins kommt ohne das andere nicht aus; schlägt
das eine
erst
einmal durch, zieht es das
andere bedingungslos mit sich.
Diese Erkenntnis bezieht sich in
erster Linie auf den Atheismus -
wie dann die Ideologie heisst, die
von ihm nachgezogen wird,
spielt
dabei keine Rolle. Und dies sind
die Wesensmerkmale der
kommunistischen Ideologie: Es tritt eine Partei an, die Gott ab-
schafft und dafür einen
Gottesstaat, eine Theokratie
ohne Gott
installiert. Kommunismus ist fortan
der einzige Weg für die Wahr-
heitsfindung, das einzige tragende Element, die Staatsreligion.
Der
Kommunismus kennt keine Horizonte,
die er erreichen will.
Vielmehr wird das sogenannte "prozessweise Vorgehen" zur Norm
gemacht, das
heisst: Ohne bestimmtes Ziel vor
Augen, wird von
Fall zu Fall entschieden. Da das Gesamtkonzept fehlt, wird man
sich mit den Fragmenten begnügen. Haben kommunistische Vordenker
erst
eine Staatsmacht in Händen, werden sie alles daransetzen,
die eben erwähnten Wesensmerkmale in
das alltägliche Leben einzu-
schleusen. Dies ist leicht möglich,
denn die "Proletarier", in
deren Namen sie zu regieren
vorgeben, sind durch Zwang und Ein-
schüchterung, durch Lächerlichmachen
und durch das Hinstellen als
die ewige Gestrigen ihrer Opposition
beraubt und schauen mut-
und lustlos dem Treiben jener zu, die schon lange nicht mehr den
Kontakt mit dem Volk pflegen,
geschweige denn suchen. Das Kreisen
um die eigene Ideologie und die totale Kontaktlosigkeit mit der
Basis
lässt sie langsam aber
sicher zu Diktatoren werden, die
sich zwar noch auf die ursprünglichen "Apostel" berufen, selbst
aber keine Ahnung von deren Schrifttum
und Gedankenwelt mehr ha-
ben.
(Leider können ähnliche Tendenzen der Beeinflussung des Ge-
wissens modernistischer Kreise zur
Zeit auch in der Kirche beob-
achtet
werden; das "prozessweise Vorgehen" wird heute
in der
Kirche schon offen propagiert! Das dies ein Irrweg ist in einer
Kirche, die an feste Lehrsätze
gebunden ist,
leuchtet jedem Menschen, mit der
Ausnahme modernistischer Kir-
chenzerstörer, sofort ein.) Wir erinnern
hier an die von den ver-
schiedensten "Staatschefs"
gebrauchte Theorie des "Sozialismus im
eigenen Lande", womit
man alle Abartigkeiten und jeden Terror
gegen die Menschlichkeit rechtfertigen
konnte.
Die Geschichte des Kommunismus von
Marx bis Gorbatschow ist be-
kannt.
Dennoch ist es wertvoll, jetzt, da viele meinen, der Kom-
munismus sei überwunden, eine Analyse
der Lehren dieser menschen-
verachtenden Ideologie zu machen.
Damit sich solch ein Irrsinn
nicht wieder etablieren kann, müssen die
Prinzipien, auf denen er
aufgabaut war, offengelegt werden. Es
ist zu befürchten, dass die
eine oder andere
Sicht der Dinge in den verschiedensten, wenn
auch abgewandelten Formen, von neuem
ihr Haupt erheben.
2.2. Zwei atheistische Stufen
Nach
der Lehre des
Marxismus-Leninimus macht die sogenannte
"nachrevolutionäre
Gesellschaft" (Marx und Lenin
standen seiner-
Zeit noch vor
"ihrer" Revolution) eine zweistufige Entwicklung
durch.
Die erste Phase ist
"sozialistisch"; die zweite, die
"kommunistische", erwächst aus der sozialistischen Agitation
von
selbst heraus.
In der ersten Phase werden die Produktionsmittel in das "Allge-
meingut" überführt
und die Menschen im Gewissen befreit. Wenn
bisher klerikale Vorstellungen von
Sünde, Gott und Erlösung das
Gewissen belasteten, so wird,
im real existierenden Sozialismus
das Gewissen von Sünde und Gott "befreit". Diese "Befreiung des
Gewissens vom
Mystizismus" (so hiess
der Gottglaube im
Kommunismus) konnte freilich auch durch Gewaltandrohung seitens
der
alleinherrschenden Partei erreicht
werden. Wollte jemand
sich diese "Befreiung" nicht angedeihen lassen, also kein
"neuer
sozialistischer Mensch"
sein, wurde er als geistesgestört be-
trachtet. Die was der Anfang der Einweisungen in psychaitrische
Kliniken von überzeugten
Christen, die es eher vorzogen, gefol-
tert,
als ihrem Gott untreu zu
werden. In der zweiten Phase,
dem real existierenden Kommunismus
sollte dann die formalrechtli-
che Güterverteilung zugunsten einer
freien und vollständigen Be-
dürfnisbefriedigung aufgegeben werden. Wie sehr der Kommunismus
mit seinem Prinzip der
"prozessweisen
Entwicklung" diesem Grun-
datz nicht entsprach bzw. gar nicht entsprechen konnte, da eine
"prozessweise Entwicklung" die
Möglichkeit eines angestrebten
Zieles gar nicht zulässt, mit der kommunistischen Gesellschaft -
dem
zweiten Schritt - jedoch eine
solche postuliert wurde, was
wiederum die ganze kommunistische Ideologie,
und mit ihr das
Wirtschaftssystem und das
Staatswesen, in dauernde Gegensätze
verstrickte, wurde erst richtig klar, als die erschreckende Not
der Völker nach dem Zusammenbruch der
Sowjetunion und der ange-
gliederten Satelliten-Diktaturen
offenbar wurde. Es zeigte sich in
der Tat, wie sehr
die Planer dieses irdischen
Paradieses nicht
nur an Gott, sondern an der Realität menschlichen
Zusammenlebens
vorbeiredeten.
Die hochtrabenden Prognosen von Marx
& Co erwiesen sich als Irr-
tümer, die in einer beispiellosen,
noch nie in der Geschichte der
Menschheit dagewesenen
katastrophalen Niederlage und im totalen
Zusammenbruch des Systems
endeten. Die Aufgabe aller Demokraten
ist
nun darauf viel
Aufmerksamkeit zu verwenden,
dass die
Ideologie, losgelöst von einem Schreckenssystem, nicht
von neuem
ihr Haupt erhebt, sei es in
staatlichen oder in kirchlichen Frei-
räumen! Sie würde erneut, durch viel Blut und Tränen Unschuldiger, nach viel Elend und Leid in
dieselbe Katastrophg führen.
Alle Welt muss sich zum Grundsatz
machen, um jeden Preis den An-
fängen einer solchen Ideologie zu wehren,
ganz gleich, wo sich
ihre Sporen zeigen sollten.
3. Wie ist Atheismus möglich geworden?
Eine zeitlang schien es so, als sei der Atheimus eine Weltmacht.
Für jeden an Gott glaubenden Menschen
war dies ein Ärgernis und
ein Schmerz zugleich. Aber auch ein
grosses Rätsel. Man wird sich
heute, nachdem das tragende System des
Atheismus zusammengebrochen
ist, die Frage ernsthaft stellen
müssen: Wie ist Atheismus möglich
geworden?
Mutter
Teresa wird die Aussage zugesprochen:
Ich will die Men-
schen für Christus gewinnen,
nicht zwingen! Glaube an Gott ist
möglich, aber er kann nicht erzwungen werden. Er ist und bleibt
immer Gnade. Immer wird Gott es sein, der den ersten Schritt zu
uns tut. Aber immer, und ich betone:
immer, muss der Mensch seine
persönliche Antwort auf das Entgegenkommen Gottes geben. Bleibt
unsere Antwort aus, entsteht
ein Vakuum: im Auseinanderklaffen
von Gottes Entgegenkommen und dem
Ausbleiben unserer Antwort eta-
bliert sich der A-Theismus
(Gott-Losigkeit). Baut man nun in die-
ses Vakuum eine Ideologie ein, wird
daraus eine Gesellschaftsordnung entstehen,
die Gott nicht kennt, ihn
verdrängt und ihn den Untertanen verbietet.
Auf der einen Seite steht also
Gott, der allein die Wahrheit ist
und uns nicht zwingen will, uns aber
in Jesus Christus sein Ange-
bot mmachte, auf der anderen eine aus dem erwähnten Vakuum entstandene Ideologie, die die Frage nach der Wahrheit sich selbst
nicht stellt und den Mitmenschen die Antwort
schuldig bleibt;
die zwangsläufige Verstrickung in
Schuld und Lüge ist vorprogram-
miert.
Ein weiterer Aspekt
darf hier nicht unerwähnt
bleiben: Glauben
kann man nur in einer
völligen persönlichen Entscheidungsfrei-
heit. Dies bezieht sich auf den
Glauben an Gott genau so, wie auf
den Glauben, den eine
gott-lose Ideologie von ihren
Untertanen
beansprucht. Gibt
eine Ideologie ihren Anhängern
den nötigen
Freiraum, dann werden sie ihr folgen. Wird der Freiraum
der per-
sönlichen Entscheidung
genommen, dann werden die
Menschen zwar
vor Furcht erzittern, katzbuckelnd den Machthabern folgen - sie
werden sich aber nie von ihr
überzeugen lassen und im Innern eine
dauernde Abneigung entwickeln. So kann
heute in einer Analyse
über die letzten Jahrzehnte kommunistischer Schreckensherrschaft
gesagt werden, dass diese Ideologie keine richtigen
Ideologen im
Stile Marx' mehr hatte. Freilich gab
es sie - die Eintagsfliegen,
die sich im Boxring für Leichtgewichter gegenüber einer in die
Zuschauerränge getriebene
Masse höriggewordener Menschen, die
auf
Befehl applaudieren und
auf Befehl Sprüche muskelmatter
Ringkämpfer brüllend wiederholen,
Gehör verschafften. Über sie zu
reden ist jedoch verlorene Zeit. Da lobe ich mir doch eher jene,
die
in offener Opposition
gegen die Meister
verlogener
Losungen und verblendeter Kaderfunktionäre alles wagten - auch
ihr
Leben! Hier zeigte sich,
dass Überzeugung, Freiheit, der
Glaube
an Gott Werte sind,
die auch mit den ausgefallendsten
Foltermethoden nicht zu unterdrücken
sind. Dass der Glaube an
Gott
dem Menschen so natürlich
ist wie das
Gehen auf zwei
Beinen, hat sich in den Kreisen dieser Kaderschmiede noch nicht
umhergesprochen. Oder doch? Hat man nicht Gott durch den
Glauben
an den Sozialismus ersetzen
wollen..? Der atheistische Kommunis-
mus
war unfähig, den Menschen
einen Freiraum zuzugestehen,
schon
ob des Widerspruchs der obenerwähnten prozessweisen Ent-
wicklung, einer Missgeburt menschlichen Denkens, die es den je-
weiligen Ideologen,
die gerade Macht
ausübten, ermöglichte,
ziellos persönliche Herrschaftsansprüche
zu befriedigen. An kein
transzendentales Wesen,
an Gott, gebunden,
setzten sie ihre
eigenen, oft naiven,
Einsichten zum Massstab des
Denkens und
Handelns.
Die
Transzendenz Gottes aber, die
Tatsache, dass er alles Wis-
sbare und Bestimmbare überschreitet,
dass er das grosse Geheimnis
ist,
diese Tatsache muss in kritische Konkurrenz treten mit den
sonstigen, wissbaren weltimmanenten Erfahrungen.
Fehlt nun dem
Menschen die
persönliche
Entscheidungsfreiheit
zwischen dem
Transzendentalen und dem Erfahrbaren
zu wählen, treibt dieser
kritische Widerspruch
dazu, das allwissende,
transzendentale
und darum auch geheimnisvolle Wesen zu
verdrängen, oder, wie ich
in der Befreiung vom Gewissen higewiesen
habe, sich dessen zu
entledigen.
4.
Spannungsfeld: Totale kommunistische Gesellschaft und Christentum
Wir könnten von Glück reden, dass die
totale kommunistische Ge-
sellschaft nie und nirgends installiert wurde, wüsste man nicht
heute, nach diesem
qualvollen Experiment mit und an
Menschen,
nur eine Utopie war und aus Gründen
der inneren Widersprüchlich-
keiten gar nicht installierbar
war. Aus den Lehren der Vordenker
dieser
Ideologie lässt sich jedoch
die folgende Definition der
totalen kommunistischen Gesellschaft
ableiten:
Die
kommunistische Gesellschaft ist klassenlos und atheistisch.
Privates Eigentum und Kapital gibt es
nicht. Alles gehört der
ganzen Gesellschaft. Unter der Fürhung der kommunistischen Par-
tei,
der einzigen legalen politischen Kraft,
arbeiten alle Men-
schen
für das Gemeinwohl. Der Einzelne
mit seinen persönlichen
Wünschen, bis
hin zu den
familiären Bindungen von
Eltern-
Kind-Ehegatte, hat sich dieser Gesellschaft so einzuordnen,
dass
er in ihr ganz untergeht."
4.1. Fragen an die Kirche des Westens
Angesichts der Tatsache,
dass das Gedankengut des atheistischen
Kommunismus in der säkularisierten Welt des Westens, also jener
Welt,
die von der Geisel dieser menschenverachtenden real exi-
stierenden Ideologie nicht betroffen
war, Eingang finden könnte
-
die grösste Sorge aller
Demokraten -, soll an dieser Stelle
ein Fragenkomplex aus der
russisch-sowjetischen Untergrundschrift
Samizdat (Samizdat,
Chronik eines neuen Lebens in der
Sowjetu-
nion,
in: pro fratribus, Koblenz 1977) aufgeführt werden, um den
Ernst jener Welt besser zu begreifen,
der der real existierende
Attheismus aufgezwungen wurde.
"Ist es möglich", frägt
Samizdat, "dass das Christentum im geisti-
gen
Leben die Initiative
verloren hat? Heute
kommt die a-
religiöse Welt mit ihren ethischen
Reaktionen in den meisten Fäl-
len den Kirchen zuvor. Die Vertreter der einzelnen Konfessionen
treffen sich", den von den
westlichen Demokratien gewährten Frei-
raum ausnützend, "nach wie vor;
sie halten Vorträge ab und machen
diplomatische Reisen". Wie vor
dem Erscheinen des aktiven Atehis-
mus leben sie in einer
nach innen gekehrten Welt der
theoreti-
schen
Probleme und erhoffen
sich davon eine
Einheit. "Aber
selbst wenn eines Tages diese
diplomatische Einheit Wirklichkeit
würde,
so wird sie
dennoch nichts anderes
sein, als eine
politische Fiktion und ebenso
fruchtlos wie die 'Freundschaft der
Völker', deren Regierungen sich erst gestern versöhnt und gün-
stige Handelsvereinbarungen
abgeschlossen haben. Aber nicht diese
Einheit brauchen die Christen.
Stehen sie tatsächlich noch mit
Christus in Verbindung und bilden sie Seinen Leib, nachdem sie
die Bereitschaft zum Zeugnis über das Böse und
über das Leiden
verloren haben? Ist nicht in diesem
Falle die sittliche Grundlage
des Evangeliums jene elementare
Voraussetzung, ohne die eine ech-
te christliche Einheit nicht möglich
ist?".
Diese Sätze sind dem Aufschrei jener
entsprungen, die gänzlich um
ihren perslönlichen Freiheitsraum
gebracht wurden um im gleichen
Zuge einer totalen atheistischen
Weltanschauung unterworfen zu
werden. Ist nicht heute mehr denn je eine Tendenz zu verspüren,
in welcher das Böse als solchens aus
unserem Leben verdrängt wer-
den soll? Lebt der Westen nicht auch heute noch - heute, wo wir
das Aussmass der seelischen Zerstörung
des Kommunismus offen se-
hen -,
in einem nie dagewesenen Unschuldswahn,
als gäbe es die
Schuld des Atheismus nicht? Ist nicht eine immer stärkere Abkehr
von Gott und - wohin sonst? - zum
Atheismus hin spürbar? Was hal-
ten wir eigentlich noch vom sündhaften
Versagen vor Gott? Konzen-
triert sich nicht unser Versagen -
so berechtigt, notwendig und
dringend es auch sei -, nicht
ausschliesslich auf materielle Wer-
te,
auf Welt und Umwelt, auf Mensch und Natur? Schliessen wir
nicht zu leichtfertig den Schöpfer der
Natur aus unseren Massnah-
men für die Rettung der Natur aus? Liegt darin der Grund, dass
wir mit der Natur nicht richtig umzugehen wissen, weil
wir den
Schöpfer ausgeschlossen haben?
Das Christentum, der Glaube an den einen Gott, den Schöpfer des
Himmels und der Erde, ist die einzige Alternative zum Atheismus
und zu seiner schlimmsten
Erscheinungsform, dem real existieren-
den Sozialismus bzw. Kommunismus,
obwohl letztere nie real exi-
stierte, sondern als Utopie in blauen Wolken schwebte. Freilich
hat der Atheismus viele Gesichter,
die hier nur erwähnt werden
sollen, um nicht der Einseitigkeit zu
verfallen, wie: Fanatismus,
Indifferentismus, Neuheidentum,
New-Age, Modernismus und derglei-
chen.
Die Zeichen der Zeit, den Atheismus, zu erkennen und zu verbannen
ist nicht nur Aufgabe der Kirche als
solcher, sondern jedes ein-
zelne Christen. Tun wir dies nicht,
machen wir uns mitschuldig am
Werk des "Menschenmörders von Anbeginn" (Joh 8,44)
und bringen
uns selbst um unsere eigene Zukunft und um die
unserer Kinder.
Die Zukunft wird unter zwei Vorzeichen
stehen:
- die Entscheidung für die persönliche
Freiheit unter den Voraus-
setzungen des einzig offenbarten
Glaubens an Gott, des Christen-
tums, oder
- die Entscheidung für den Zwang des
Atheismus gegen alle persön-
liche Freiheit.
4.2. Typikum europäischer Kultur
Um die letztgenannten Sätze zu unterstreichen, werfen wir einen
kurzen Blick auf die europäische
Kultur. Bekanntlich ist diese ja
vom Christentum gefördert und geformt
worden. Bei genauerem Hin-
sehen darf als Spezifikum europäischer
Kultur ein dreifaches an-
tikes Erbe gelten: das griechische Denken, der offenbarte Chri-
stenglauben und das römische
Recht. Das römische Recht aber fand
seine historisch wirksame Formulierung
im Hellenismus. So blei-
ben die eigentlichen grossen Geschenke
der Griechen und der Juden
an die Menschheit diese beiden:
-
die griechische Philosophie, das heisst die Unterscheidung von
Wahr und Falsch und
- die jüdische Unterscheidung von Gut
und Böse.
Die daraus resultierende europäische
Kultur ist die typisch un-
terschiedende zwischen Ja und Nein.
Mit anderen Worten: Die Un-
terscheidung zwischen Gut und
Böse, zwischen Wahr und Falsch ist
das hervorragendste Typikum
europäischer Kultur.
Die Wichtigkeit dieser Erkenntnis kommt im
Folgenden zu tragen.
Beide
Eckwerte haben beim Europäer,
seien sie von der griechi-
schen
Philosophie, von der römischen
Kultur oder von der jüdi-
schen
Unterscheidung her gesehen, einen
religiösen Hintergrund.
Davon ausgehend muss die Frage formuliert werden - wollen wir zu
einer richtigen Entscheidung
vorstossen -, nach den die Voraus-
setzungen und
Zielen europäischer Willensbildung.
Dabei setze
ich voraus, dass Entscheidungen ja nur dort getroffen
werden, wo
eine
vorhergehende Willensbildung
stattgefunden hat. Ist dies
nicht der Fall, spricht man von einer
Diktatur. In logischer Kon-
sequenz müssen
wir uns daher mit den
Voraussetzungen für eine
Enstcheidung zwischen persönlicher
Freiheit und Zwang beschäfti-
gen.
Die
inneren Voraussetzungen können
wir sehr leicht an der Ge-
schichte Europas ablesen. Der Reichtum
Europas, wie einst der
Reichtum der alten Griechen oder
Römer, ist die Vielfalt in Frei-
heit.
Wo diese Veilfalt fehlt, entsteht Unterdrückung. Viele ma-
chen es sich heute sehr einfach,
wenn sie sagen: Unser Reichtum
ist auf die Ausbeutung der Dritten Welt zurückzuführen, so sehr
dies streckenweise auch gar nicht fasch sein
mag. Die Aussage
deckt jedoch nicht die ganze
Realität. Wäre dem so, dann müsste
die ehemalige Sowjetunion das reichste Land der Erde sein, denn
an Ausbeutung der Satellitenstädten fehlte
es warhlich nicht.
Aber es fehlte die freie Vielfalt!
4.3. Die ehemaligen Supermächte
Schliesslich sei noch im Zusammenhang
unserer postkommunistischen
Analye ein notwendiger Blick auf die ehemaligen sogenannten Su-
permächte geworfen.
Beide Nationen sind geprägt durch
Expansion, durch die geschicht-
liche Besiedlung eines - nach europäischen Begriffen unendlichen
Raumes. Beide
Ideologien sind massgeblich geprägt durch teils
gemeinsame, teils verschiedene Ereignis:
- die Verwurzelung im europäischen
Typikum,
-
der Gedanke der ersten
Menschenrechtserklärungen von
1776 in
den USA und
- die Entstehung des Kommunismus 1917.
Tief verschieden ist allerdings beider aussen- und innenpoliti-
sche Einwirkung dieser Ereignisse auf
den jeweilig Betroffenen.
Die Russen sind ein europäisches Volk mit einem
gewaltigen Sied-
lungsgebiet und wohl auch
Herrschaftsgebiet in Asien. Es ist aber
ein Volk von Ackerbauern, das im Westen begrenzt wird von einer
überlegenen Zivilisation und im Osten
von Nomaden auf schnellen
Pferden. So konnten sie nur bestehen, wenn sie sowohl dem einen
als auch dem anderen militärisch
überlegen waren. Daher ist mili-
tärische Überrüstung russische
Tradition, von den Zaren begonnen
und
ohne Abstriche von den Kremlherren
der untergegangenen
Sowjetmacht übernommen.
Die Abrüstungsvorschläge zu
Zeiten der
Sowjetmacht müssen
daher unter diesen Aspekten
gesehen werden,
denn nie wurde abgerüstet. Die Gespräche dienten bloss der Ver-
hinderung, die angehäuften Waffen auch zu gebrauchen,
das heisst
der
Besänftigung sowjetischer Ängste vor
der anderen Supenmmacht. Das
nicht abgerüstet, sonder immer neue
Waffensysteme in
derselben Zeit
erfunden wurden, weiss
heute jedermann. Die
politisch-geschichtliche
Grunderfahrung der Russen ist Druck und
Gegendruck der Macht, denn innenpolitisch hat Russland die demo-
kratische Freiheit,
als einzige europäische
Nation, in deiner
Geschichte noch nie gekannt.
Nordamerika wurde,
nicht ohne das Gewehr, erobert und besiedelt
von
Europäern, die dort ihre
Freiheit suchten. Die Unabhängig-
keitserklärung von 1776 spricht drei
unveräusserliche Menschen-
rechte aus: Das Recht auf Leben, auf Freiheit
und auf Streben
nach Glück. Die Siedler in den USA wollten keinen
Anteil mehr
haben
an den verwerflichen Machtkämpfen
europäischer Fürsten,
Könige, Kaiser
und Potentaten. Das war auch das ursprüngliche
aussenpolitische Pathos der
Vereinigten Saaten, ermöglicht durch
die Isolation zwischen zwei
Ozeanen. Die freie
Vielfalt war
durch die Erklärung gewährt.
So konnte die persönliche Freiheit
heranwachsen und Amerika zu dem werden lassen, was es heute an
Wirtschaftsmacht zu bieten hat.
Die Selbstzerfleischung Europas in den
zwei zurückliegenden Welt-
kriegen des ausgehenden Jahrhunderts
nötigte die USA in die Rolle
der politischen Weltmacht.
Damit wären die philosophischen Hintergründe
aufgezeigt, welche
zu berücksichtigen sind, wenn wir von
einer freien personalen Ent-
scheidung zwischen Freiheit und
Zwang reden. Wer sich die Mühe
macht,
die Verzahnung mit der heutigen Situation in Kirche und
Welt zu verstehen, dem wird die Wahl
bzw. das Verständnis laufen-
der Entwicklungen leichter gemacht.
(af)
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