Zitate aus unseren Büchern...

"Wenn wir die Neuevangelisierung ernst nehmen, müssen wir den Sakramenten der Beichte und der Eucharistie wieder ihren gottgewollten Platz im christlichen Leben zurückgeben"
(Hw. Dr. Adolf Fugel, in: Glaubenskurs Beichte und Eucharistie, BENEDETTO VERLAG)

Donnerstag, 29. März 2012

Grundzüge der atheistischen Gesellschaft


Grundzüge der atheistischen Gesellschaft in einer

postkommunistischen Analyse  festgehalten

1. Ist der Atheismus überwunden?

Um es  gleich  vorweg  zu  nehmen:  Die kommunististische Gesell-
schaft,  oder jene, die sich als das ausgaben, hat ihren Namen zu
Unrecht  getragen!  Vergleicht man die vita  communis  der ersten
Christen -  sie wurde durch den Glauben an den einen  Herrn Jesus
Christus geprägt -,  ist unschwer erkennbar,  dass sie die ersten
"Kommune-Bewohner"  waren. So lesen wir in Apg 2,42f.: "Die Chri-
sten verharrten in der Lehre der Apostel und  in der brüderlichen
Gemeinschaft,  im Brotbrechen und in den Gebeten. Alle Gläubigge-
wordenen aber hatten  alles miteinander  gemeinsam. Sie verkauften
ihren Besitz,  ihre Habe und  verteilten sie an alle,  je nachdem
einer bedürftig war."  Beim Lesen dieser Stelle muss  man zwangs-
läufig an den Kommunismus  denken. Auch hier "verharrten" die An-
hänger  "in der  Lehre"  ihrer  "Apostel"  (Marx,  Lenin, Stalin,
Mao,  um  nur die profiliertesten  dieses  "Apostelkollegiums" zu
erwähnen) und in einer spezifischen Gemeinschaft, deren Ideologie
auf  dem (Glaubens)Bekenntnis des  Atheimus (Gott-Losigkeit) auf-
ruhte.  Nur  in  minimalster Weise bezog man sich  auf  ein Wirt-
schaftssystem.  Kommunismus  verstand sich immer in  erster Linie
als Religion,  die  mit dem Anspruch der Ausschliesslichkeit auf-
trat,  bereit, wie im Bauernkrieg nach der Reformation, dem ande-
ren  beim kleinsten  Widerstand den Schädel  zu zertrümmern. Ver-
gleicht  man in diesem Sinne   den Kommunismus  mit der "Kommune"
(Gemeinschaft)  der nachapostolischen Zeit,  sind  die Parallelen
nur rein äusserlicher Natur.
Darum lautet heute die so aktuelle Frage: Ist nur der Kommunismus
allein,  oder  ist mit ihm auch  der Atheismus  überwunden? Doch,
kann man beides  voneinander trennen?  War  nicht  im Kommunismus
gerade der Atheismus die staatstragende  Religion,  der alle Reli-
gionen  weichen sollten?  Die "Gläubiggewordenen"  im Kommunismus
wurden kurzerhand  zu "Höriggewordenen",  denen jede "brüderliche
Gemeinschaft"  abging.  Hingegen die "Gläubiggewordenen" der Apo-
stel folgten der Lehre Christi, der allein von sich sagen konnte:
"Ich bin  der Weg, die Wahrheit und das Leben!"

2. Atheismus - der Glaube ohne Gott

Was Religion ist, das wissen wir ja alle: Religere = (lat). rück-
binden.  Sich rückbinden lassen.  Freiwillig angebunden sein. An
etwas.  An jemanden.  An Normen. An Schranken. Eine schrankenlose
Freiheit  kennt  die  "Rückbindung-Religio"   nicht!  Garantierte
Freiheit kann es nur in  Schranken geben.  Diesem philosophischen
Prinzip ist die Religion genau so wie jede Ideologie unterworfen.
Jede Ideologie muss,  wie  auch die Religio,  von jedem einzelnen
Menschen  in  Freiheit  bejaht  werden.  Eine Ideologie,  die die
natürlichsten  Schranken   durchbricht  -   jene  Schranken,  die
Allgemeingut  des  Menschen  sind:   Gottesglaube,  Sittlichkeit,
ewiges Leben -,  verfällt in den Trancezustand der  Hetze und der
Ablehnung,  der Verfolgung des anderen und  der totalen negativen
Einstellung, Verneinung des Lebens.

2.1. Kommunistische Ideologie und die prozessweise Entwicklung
Wir sagten schon,  dass Atheismus und Kommunismus sich gegenseitig
bedingen;  eins kommt ohne das andere nicht aus; schlägt das eine
erst  einmal durch,  zieht es das andere  bedingungslos mit sich.
Diese Erkenntnis bezieht sich in erster Linie auf den  Atheismus -
wie dann  die Ideologie heisst,  die  von  ihm  nachgezogen wird,
spielt  dabei keine Rolle.  Und dies sind die  Wesensmerkmale der
kommunistischen Ideologie:  Es tritt eine Partei an, die Gott ab-
schafft und dafür einen Gottesstaat,  eine  Theokratie  ohne Gott
installiert. Kommunismus ist fortan der einzige Weg für die Wahr-
heitsfindung,  das einzige tragende Element,  die Staatsreligion.
Der  Kommunismus kennt keine Horizonte,  die  er  erreichen will.
Vielmehr wird  das sogenannte  "prozessweise  Vorgehen"  zur Norm
gemacht,  das  heisst:  Ohne bestimmtes Ziel vor Augen,  wird von
Fall zu  Fall entschieden.  Da das Gesamtkonzept fehlt,  wird man
sich mit den Fragmenten begnügen.  Haben kommunistische Vordenker
erst  eine Staatsmacht  in Händen,  werden sie alles daransetzen,
die eben erwähnten Wesensmerkmale in das alltägliche Leben einzu-
schleusen.  Dies ist leicht  möglich,  denn die "Proletarier", in
deren Namen sie zu regieren vorgeben,  sind durch Zwang  und Ein-
schüchterung, durch Lächerlichmachen und durch das Hinstellen als
die ewige Gestrigen ihrer  Opposition  beraubt  und  schauen mut-
und lustlos dem Treiben jener zu,  die schon lange nicht mehr den
Kontakt mit dem Volk pflegen, geschweige denn suchen. Das Kreisen
um die eigene Ideologie  und die totale  Kontaktlosigkeit mit der
Basis  lässt sie langsam aber  sicher  zu  Diktatoren werden, die
sich zwar noch  auf die ursprünglichen  "Apostel" berufen, selbst
aber keine Ahnung von deren Schrifttum und  Gedankenwelt mehr ha-
ben.  (Leider können ähnliche Tendenzen der Beeinflussung des Ge-
wissens modernistischer Kreise zur Zeit auch in der  Kirche beob-
achtet  werden;  das  "prozessweise Vorgehen"  wird heute  in der
Kirche schon offen propagiert!  Das dies ein Irrweg  ist in einer
Kirche, die an feste Lehrsätze gebunden ist,
leuchtet  jedem Menschen,  mit der  Ausnahme modernistischer Kir-
chenzerstörer, sofort ein.) Wir erinnern hier an die von den ver-
schiedensten "Staatschefs" gebrauchte Theorie des "Sozialismus im
eigenen Lande",  womit  man alle  Abartigkeiten und  jeden Terror
gegen die Menschlichkeit rechtfertigen konnte.

Die Geschichte des Kommunismus von Marx  bis Gorbatschow  ist be-
kannt.  Dennoch ist es wertvoll, jetzt, da viele meinen, der Kom-
munismus sei überwunden, eine Analyse der Lehren dieser menschen-
verachtenden Ideologie zu  machen.  Damit sich solch  ein Irrsinn
nicht wieder etablieren kann, müssen die Prinzipien, auf denen er
aufgabaut war, offengelegt werden. Es ist zu befürchten, dass die
eine oder  andere  Sicht der Dinge in  den  verschiedensten, wenn
auch abgewandelten Formen, von neuem ihr Haupt erheben.

2.2. Zwei atheistische Stufen

Nach  der  Lehre  des  Marxismus-Leninimus  macht  die sogenannte
"nachrevolutionäre Gesellschaft"  (Marx und Lenin standen seiner-
Zeit noch  vor  "ihrer" Revolution) eine zweistufige Entwicklung
durch.  Die  erste Phase  ist  "sozialistisch";  die  zweite, die
"kommunistische",  erwächst aus der sozialistischen Agitation von
selbst heraus.
In der ersten Phase  werden die Produktionsmittel  in das "Allge-
meingut"  überführt  und die Menschen  im  Gewissen befreit. Wenn
bisher klerikale Vorstellungen von Sünde,  Gott  und Erlösung das
Gewissen belasteten,  so wird,  im real existierenden Sozialismus
das Gewissen von Sünde  und Gott "befreit".  Diese "Befreiung des
Gewissens  vom   Mystizismus"   (so  hiess   der   Gottglaube  im
Kommunismus)  konnte freilich auch durch  Gewaltandrohung seitens
der  alleinherrschenden  Partei  erreicht  werden.  Wollte jemand
sich diese "Befreiung"  nicht angedeihen lassen, also kein "neuer
sozialistischer  Mensch"  sein,  wurde er  als geistesgestört be-
trachtet.  Die was der Anfang der  Einweisungen in psychaitrische
Kliniken von überzeugten Christen,  die es eher  vorzogen, gefol-
tert,  als ihrem Gott  untreu  zu  werden.  In der zweiten Phase,
dem real existierenden Kommunismus sollte dann die formalrechtli-
che Güterverteilung zugunsten einer freien und  vollständigen Be-
dürfnisbefriedigung  aufgegeben werden.  Wie sehr der Kommunismus
mit seinem Prinzip der "prozessweisen  Entwicklung"  diesem Grun-
datz nicht entsprach bzw.  gar nicht entsprechen konnte,  da eine
"prozessweise  Entwicklung"  die  Möglichkeit  eines angestrebten
Zieles gar nicht zulässt,  mit der kommunistischen Gesellschaft -
dem  zweiten Schritt -  jedoch eine solche postuliert  wurde, was
wiederum die ganze  kommunistische  Ideologie,  und  mit  ihr das
Wirtschaftssystem  und das  Staatswesen,  in  dauernde Gegensätze
verstrickte,  wurde erst richtig klar,  als die erschreckende Not
der Völker nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion  und  der ange-
gliederten Satelliten-Diktaturen offenbar wurde. Es zeigte sich in
der Tat,  wie sehr  die Planer dieses irdischen  Paradieses nicht
nur an Gott,  sondern an der Realität menschlichen Zusammenlebens
vorbeiredeten.

Die hochtrabenden Prognosen von Marx &  Co erwiesen sich als Irr-
tümer, die in einer beispiellosen, noch nie in der Geschichte der
Menschheit dagewesenen katastrophalen  Niederlage  und im totalen
Zusammenbruch des Systems endeten.  Die Aufgabe  aller Demokraten
ist  nun  darauf  viel  Aufmerksamkeit  zu  verwenden,  dass  die
Ideologie,  losgelöst von einem Schreckenssystem, nicht von neuem
ihr Haupt erhebt, sei es in staatlichen oder in kirchlichen Frei-
räumen!  Sie würde erneut,  durch viel Blut und Tränen Unschuldiger,  nach viel Elend und Leid  in  dieselbe Katastrophg führen.
Alle Welt muss sich zum Grundsatz machen,  um jeden Preis den An-
fängen einer solchen Ideologie zu  wehren,  ganz gleich,  wo sich
ihre Sporen zeigen sollten.

3. Wie ist Atheismus möglich geworden?

Eine zeitlang schien es so,  als sei der Atheimus eine Weltmacht.
Für jeden an Gott glaubenden Menschen war dies  ein Ärgernis und
ein Schmerz zugleich. Aber auch ein grosses Rätsel. Man wird sich
heute, nachdem das tragende System des Atheismus zusammengebrochen
ist, die Frage ernsthaft stellen müssen: Wie ist Atheismus möglich
geworden?


Mutter  Teresa wird die Aussage zugesprochen:  Ich  will die Men-
schen für Christus  gewinnen,  nicht zwingen!  Glaube an Gott ist
möglich,  aber er kann nicht erzwungen werden.  Er ist und bleibt
immer Gnade.  Immer wird Gott es sein,  der den ersten Schritt zu
uns tut. Aber immer, und ich betone: immer, muss der Mensch seine
persönliche Antwort  auf das Entgegenkommen  Gottes geben. Bleibt
unsere Antwort aus,  entsteht  ein Vakuum:  im Auseinanderklaffen
von Gottes Entgegenkommen und dem Ausbleiben unserer Antwort eta-
bliert sich der A-Theismus (Gott-Losigkeit). Baut man nun in die-
ses Vakuum eine Ideologie ein, wird daraus eine Gesellschaftsordnung entstehen,  die Gott nicht kennt,  ihn verdrängt und ihn den Untertanen verbietet.
Auf der einen Seite steht also Gott,  der allein die Wahrheit ist
und uns nicht zwingen will, uns aber in Jesus Christus sein Ange-
bot mmachte,  auf der anderen eine aus dem  erwähnten Vakuum entstandene Ideologie,  die die Frage nach der Wahrheit  sich selbst
nicht stellt  und den Mitmenschen die  Antwort   schuldig bleibt;
die zwangsläufige Verstrickung in Schuld und Lüge ist vorprogram-
miert.
Ein weiterer  Aspekt  darf hier nicht unerwähnt  bleiben: Glauben
kann man  nur in einer  völligen persönlichen Entscheidungsfrei-
heit. Dies bezieht sich auf den Glauben an Gott genau so, wie auf
den Glauben,  den eine  gott-lose Ideologie von  ihren Untertanen
beansprucht.  Gibt  eine  Ideologie ihren  Anhängern  den nötigen
Freiraum,  dann werden sie ihr folgen. Wird der Freiraum der per-
sönlichen  Entscheidung  genommen,  dann werden die Menschen zwar
vor Furcht erzittern,  katzbuckelnd den Machthabern  folgen - sie
werden sich aber nie von ihr überzeugen lassen und im Innern eine
dauernde Abneigung entwickeln.  So kann   heute  in einer Analyse
über die letzten Jahrzehnte  kommunistischer Schreckensherrschaft
gesagt werden,  dass diese Ideologie keine richtigen Ideologen im
Stile Marx' mehr hatte. Freilich gab es sie - die Eintagsfliegen,
die sich im Boxring  für Leichtgewichter   gegenüber einer in die
Zuschauerränge  getriebene  Masse  höriggewordener  Menschen, die
auf  Befehl  applaudieren  und  auf  Befehl  Sprüche muskelmatter
Ringkämpfer brüllend wiederholen, Gehör verschafften. Über sie zu
reden ist jedoch verlorene Zeit.  Da lobe ich mir doch eher jene,
die   in  offener   Opposition  gegen   die   Meister  verlogener
Losungen und   verblendeter Kaderfunktionäre alles  wagten - auch
ihr  Leben!  Hier  zeigte sich,  dass Überzeugung,  Freiheit, der
Glaube  an  Gott  Werte sind,  die auch mit  den ausgefallendsten
Foltermethoden nicht zu  unterdrücken  sind.  Dass der  Glaube an
Gott  dem Menschen  so  natürlich  ist  wie  das  Gehen  auf zwei
Beinen,  hat sich in den Kreisen dieser  Kaderschmiede noch nicht
umhergesprochen.  Oder doch? Hat man nicht Gott durch den Glauben
an den Sozialismus ersetzen wollen..?  Der atheistische Kommunis-
mus  war unfähig,    den  Menschen  einen  Freiraum zuzugestehen,
schon  ob  des Widerspruchs der  obenerwähnten prozessweisen Ent-
wicklung,  einer Missgeburt menschlichen Denkens,  die es den je-
weiligen  Ideologen,   die  gerade  Macht  ausübten, ermöglichte,
ziellos persönliche Herrschaftsansprüche zu befriedigen.  An kein
transzendentales  Wesen,  an  Gott,  gebunden,  setzten  sie ihre
eigenen,  oft naiven,  Einsichten zum  Massstab  des  Denkens und
Handelns. 
Die  Transzendenz Gottes aber,  die Tatsache,  dass er alles Wis-
sbare und Bestimmbare überschreitet, dass er das grosse Geheimnis
ist,  diese Tatsache muss in kritische Konkurrenz treten  mit den
sonstigen,  wissbaren weltimmanenten  Erfahrungen.  Fehlt nun dem
Menschen  die  persönliche  Entscheidungsfreiheit   zwischen  dem
Transzendentalen und dem  Erfahrbaren  zu  wählen,  treibt dieser
kritische  Widerspruch  dazu,  das  allwissende,  transzendentale
und darum auch geheimnisvolle Wesen zu verdrängen,  oder, wie ich
in der Befreiung vom Gewissen  higewiesen  habe,  sich  dessen zu
entledigen.

4.  Spannungsfeld: Totale kommunistische Gesellschaft und Christentum

Wir könnten von Glück reden,  dass die  totale kommunistische Ge-
sellschaft nie und  nirgends installiert wurde,  wüsste man nicht
heute,   nach diesem  qualvollen Experiment mit und  an Menschen,
nur eine Utopie war und aus Gründen der inneren  Widersprüchlich-
keiten gar nicht installierbar war.  Aus den Lehren der Vordenker
dieser  Ideologie lässt sich  jedoch die  folgende Definition der
totalen kommunistischen Gesellschaft ableiten:
Die  kommunistische Gesellschaft ist klassenlos  und atheistisch.
Privates Eigentum  und Kapital gibt  es  nicht.  Alles gehört der
ganzen Gesellschaft.  Unter der Fürhung  der kommunistischen Par-
tei,  der einzigen legalen politischen Kraft,  arbeiten alle Men-
schen  für das Gemeinwohl.  Der Einzelne mit  seinen persönlichen
Wünschen,  bis  hin  zu  den  familiären  Bindungen  von  Eltern-
Kind-Ehegatte,  hat sich dieser Gesellschaft so einzuordnen, dass
er in ihr ganz untergeht."

4.1. Fragen an die Kirche des Westens

Angesichts der  Tatsache,  dass das Gedankengut des atheistischen
Kommunismus in der  säkularisierten Welt des  Westens, also jener
Welt,  die von der Geisel  dieser  menschenverachtenden real exi-
stierenden Ideologie nicht betroffen war,  Eingang  finden könnte
-  die  grösste Sorge aller Demokraten  -,  soll an dieser Stelle
ein Fragenkomplex aus der russisch-sowjetischen Untergrundschrift
Samizdat  (Samizdat,  Chronik eines neuen Lebens  in der Sowjetu-
nion,  in: pro fratribus, Koblenz 1977) aufgeführt werden, um den
Ernst jener Welt besser zu  begreifen,  der der real existierende
Attheismus aufgezwungen wurde.
"Ist es möglich", frägt Samizdat, "dass das Christentum im geisti-
gen  Leben  die  Initiative  verloren  hat?  Heute  kommt  die a-
religiöse Welt mit ihren ethischen Reaktionen in den meisten Fäl-
len den Kirchen zuvor.  Die Vertreter der  einzelnen Konfessionen
treffen sich", den von den westlichen Demokratien gewährten Frei-
raum ausnützend, "nach wie vor; sie halten Vorträge ab und machen
diplomatische Reisen". Wie vor dem Erscheinen des aktiven Atehis-
mus leben  sie in einer  nach innen gekehrten  Welt der theoreti-
schen  Probleme  und  erhoffen  sich  davon  eine  Einheit. "Aber
selbst wenn eines Tages diese diplomatische  Einheit Wirklichkeit
würde,  so  wird  sie  dennoch  nichts  anderes  sein,  als  eine
politische Fiktion und ebenso fruchtlos wie die 'Freundschaft der
Völker',  deren Regierungen  sich erst gestern versöhnt  und gün-
stige Handelsvereinbarungen abgeschlossen haben. Aber nicht diese
Einheit brauchen  die Christen.  Stehen sie tatsächlich  noch mit
Christus in  Verbindung und  bilden sie Seinen Leib,  nachdem sie
die Bereitschaft  zum Zeugnis über  das Böse und  über das Leiden
verloren haben? Ist nicht in diesem Falle die sittliche Grundlage
des Evangeliums jene elementare Voraussetzung, ohne die eine ech-
te christliche Einheit nicht möglich ist?".
Diese Sätze sind dem Aufschrei jener entsprungen, die gänzlich um
ihren perslönlichen Freiheitsraum gebracht wurden  um im gleichen
Zuge einer totalen  atheistischen  Weltanschauung  unterworfen zu
werden.  Ist nicht heute mehr denn je  eine Tendenz zu verspüren,
in welcher das Böse als solchens aus unserem Leben verdrängt wer-
den soll?  Lebt der Westen nicht auch heute noch -  heute, wo wir
das Aussmass der seelischen Zerstörung des Kommunismus  offen se-
hen -,  in einem nie dagewesenen Unschuldswahn,  als gäbe  es die
Schuld des Atheismus nicht?  Ist nicht eine immer stärkere Abkehr
von Gott und - wohin sonst? - zum Atheismus hin spürbar? Was hal-
ten wir eigentlich noch vom sündhaften Versagen vor Gott? Konzen-
triert sich nicht unser  Versagen -  so berechtigt, notwendig und
dringend es auch sei -, nicht ausschliesslich auf materielle Wer-
te,  auf Welt  und Umwelt,  auf Mensch und Natur?  Schliessen wir
nicht zu leichtfertig den Schöpfer der Natur aus unseren Massnah-
men für die  Rettung der Natur aus?  Liegt darin der  Grund, dass
wir mit  der Natur nicht richtig umzugehen wissen,  weil  wir den
Schöpfer ausgeschlossen haben?
Das Christentum,  der Glaube an den einen Gott,  den Schöpfer des
Himmels und der Erde,  ist die einzige Alternative zum Atheismus
und zu seiner schlimmsten Erscheinungsform, dem real existieren-
den Sozialismus bzw.  Kommunismus,  obwohl letztere nie real exi-
stierte,  sondern als Utopie in blauen Wolken  schwebte. Freilich
hat der Atheismus viele  Gesichter,  die hier nur erwähnt werden
sollen, um nicht der Einseitigkeit zu verfallen, wie: Fanatismus,
Indifferentismus, Neuheidentum, New-Age, Modernismus und derglei-
chen.

Die Zeichen der Zeit,  den Atheismus, zu erkennen und zu verbannen
ist nicht nur Aufgabe der Kirche als solcher,  sondern jedes ein-
zelne Christen. Tun wir dies nicht, machen wir uns mitschuldig am
Werk des "Menschenmörders  von Anbeginn"  (Joh 8,44)  und bringen
uns selbst um  unsere eigene Zukunft und um  die  unserer Kinder.
Die Zukunft wird unter zwei Vorzeichen stehen:
- die Entscheidung für die persönliche Freiheit unter den Voraus-
setzungen des einzig offenbarten Glaubens an  Gott, des Christen-
tums, oder
- die Entscheidung für den Zwang des Atheismus gegen alle persön-
liche Freiheit.

4.2. Typikum europäischer Kultur

Um die letztgenannten Sätze zu  unterstreichen,  werfen wir einen
kurzen Blick auf die europäische Kultur.  Bekanntlich ist diese ja
vom Christentum gefördert und geformt worden.  Bei genauerem Hin-
sehen darf als Spezifikum europäischer Kultur ein  dreifaches an-
tikes Erbe gelten:  das griechische Denken,  der offenbarte Chri-
stenglauben und das römische Recht.  Das römische Recht aber fand
seine historisch wirksame Formulierung im  Hellenismus. So blei-
ben die eigentlichen grossen Geschenke der Griechen und der Juden
an die Menschheit diese beiden:
-  die griechische Philosophie, das heisst die Unterscheidung von
Wahr und Falsch und
- die jüdische Unterscheidung von Gut und Böse.
Die daraus resultierende europäische Kultur  ist die  typisch un-
terschiedende zwischen Ja und  Nein.  Mit anderen Worten: Die Un-
terscheidung zwischen Gut und Böse,  zwischen Wahr und Falsch ist
das hervorragendste Typikum europäischer Kultur.
Die Wichtigkeit dieser Erkenntnis  kommt im  Folgenden zu tragen.
Beide  Eckwerte haben beim Europäer,  seien sie  von der griechi-
schen  Philosophie,  von der römischen Kultur oder von  der jüdi-
schen  Unterscheidung her gesehen,  einen religiösen Hintergrund.
Davon ausgehend muss  die Frage formuliert werden - wollen wir zu
einer richtigen Entscheidung vorstossen -,   nach den die Voraus-
setzungen   und  Zielen europäischer Willensbildung.  Dabei setze
ich voraus,  dass Entscheidungen ja nur dort getroffen werden, wo
eine  vorhergehende Willensbildung  stattgefunden  hat.  Ist dies
nicht der Fall, spricht man von einer Diktatur. In logischer Kon-
sequenz  müssen  wir uns daher mit den  Voraussetzungen  für eine
Enstcheidung zwischen persönlicher Freiheit und  Zwang beschäfti-
gen.
Die  inneren Voraussetzungen können  wir sehr  leicht  an der Ge-
schichte Europas ablesen.  Der Reichtum  Europas,  wie  einst der
Reichtum der alten Griechen oder Römer, ist die Vielfalt in Frei-
heit.  Wo diese Veilfalt fehlt, entsteht Unterdrückung. Viele ma-
chen es sich heute sehr  einfach,  wenn sie sagen: Unser Reichtum
ist auf die Ausbeutung der Dritten Welt  zurückzuführen,  so sehr
dies streckenweise auch  gar nicht fasch  sein  mag.  Die Aussage
deckt jedoch nicht die ganze Realität.  Wäre dem so,  dann müsste
die ehemalige Sowjetunion das  reichste Land der Erde  sein, denn
an Ausbeutung  der Satellitenstädten  fehlte  es  warhlich nicht.
Aber es fehlte die freie Vielfalt!

4.3. Die ehemaligen Supermächte

Schliesslich sei noch im Zusammenhang unserer postkommunistischen
Analye ein notwendiger  Blick auf die ehemaligen  sogenannten Su-
permächte geworfen.
Beide Nationen sind geprägt durch Expansion, durch die geschicht-
liche Besiedlung eines  - nach europäischen Begriffen unendlichen
Raumes.  Beide  Ideologien  sind massgeblich  geprägt durch teils
gemeinsame, teils verschiedene Ereignis:
- die Verwurzelung im europäischen Typikum,
-  der Gedanke der ersten  Menschenrechtserklärungen von  1776 in
den USA und
- die Entstehung des Kommunismus 1917.
Tief verschieden  ist allerdings beider aussen-  und innenpoliti-
sche Einwirkung dieser Ereignisse auf den jeweilig Betroffenen.

Die Russen  sind ein europäisches Volk mit einem gewaltigen Sied-
lungsgebiet und wohl auch Herrschaftsgebiet in Asien. Es ist aber
ein Volk von Ackerbauern,  das im Westen begrenzt  wird von einer
überlegenen Zivilisation und im  Osten  von Nomaden auf schnellen
Pferden.  So konnten sie nur bestehen,  wenn sie sowohl dem einen
als auch dem anderen militärisch überlegen waren. Daher ist mili-
tärische Überrüstung russische Tradition,  von den Zaren begonnen
und  ohne  Abstriche  von  den  Kremlherren  der  untergegangenen
Sowjetmacht  übernommen.  Die Abrüstungsvorschläge zu  Zeiten der
Sowjetmacht  müssen  daher unter diesen  Aspekten gesehen werden,
denn nie wurde abgerüstet.  Die Gespräche dienten bloss  der Ver-
hinderung,  die angehäuften Waffen auch zu gebrauchen, das heisst
der  Besänftigung  sowjetischer  Ängste vor  der anderen Supenmmacht.  Das nicht abgerüstet,  sonder immer neue Waffensysteme in
derselben  Zeit  erfunden  wurden,  weiss  heute  jedermann.  Die
politisch-geschichtliche Grunderfahrung der Russen ist  Druck und
Gegendruck der Macht,  denn innenpolitisch hat Russland die demo-
kratische  Freiheit,  als  einzige europäische Nation,  in deiner
Geschichte noch nie gekannt.

Nordamerika  wurde,  nicht ohne das Gewehr, erobert und besiedelt
von  Europäern,  die dort ihre Freiheit  suchten. Die Unabhängig-
keitserklärung von 1776  spricht drei  unveräusserliche Menschen-
rechte aus:  Das Recht auf Leben,  auf Freiheit  und  auf Streben
nach Glück.  Die Siedler in  den USA wollten  keinen  Anteil mehr
haben  an  den verwerflichen  Machtkämpfen  europäischer Fürsten,
Könige,  Kaiser  und Potentaten.  Das war  auch das ursprüngliche
aussenpolitische Pathos der Vereinigten Saaten,  ermöglicht durch
die Isolation  zwischen  zwei  Ozeanen.  Die  freie  Vielfalt war
durch die Erklärung  gewährt.  So konnte die persönliche Freiheit
heranwachsen und  Amerika zu dem  werden lassen,  was es heute an
Wirtschaftsmacht zu bieten hat.
Die Selbstzerfleischung Europas in den zwei zurückliegenden Welt-
kriegen des ausgehenden Jahrhunderts nötigte die USA in die Rolle
der politischen Weltmacht.

Damit wären die philosophischen  Hintergründe  aufgezeigt, welche
zu berücksichtigen sind, wenn wir von einer freien personalen Ent-
scheidung zwischen  Freiheit und  Zwang reden.  Wer sich die Mühe
macht,  die Verzahnung mit der heutigen Situation  in Kirche und
Welt zu verstehen, dem wird die Wahl bzw. das Verständnis laufen-
der Entwicklungen leichter gemacht. (af)

Montag, 26. März 2012

Ich bin eindeutig für das Latein als Sprache aller liturgischen Handlungen des Priesters!


 Ich bin eindeutig für  das Latein als Sprache  aller liturgischen Handlungen des Priesters!

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„Diejenigen, die den Eindruck erwecken möchten, dass die Kirche das Lateinische aus der Liturgie entfernen wolle, irren sich“
Hier einen Vortrag von Francis Kardinal Arinze, ehem. Präfekt der Gottesdienstkongregation.
Vatikanstadt (Fidest)
Wir veröffentlichen nachstehend die Rede von Francis Kardinal Arinze, Präfekt der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung, bei der liturgischen Konferenz in Gateway (St. Louis, Missouri, 11. November 2006):

1.Die höhere Würde des liturgischen Gebets
Die von unserem Herrn und Erlöser Jesus Christus begründete Kirche bemüht sich Männer und Frauen jeder Ethnie, jeder Sprache, jeden Volkes und jeder Nation zu vereinen (vgl. Offb. 5,9), sodass „jede Zunge zur Ehre Gottes des Vaters bekenne: Jesus Christus ist der Herr“ (Phil. 2,11). Am Pfingsttag waren da Männer und Frauen „wohnhaft aus jedem Volk unter dem Himmel“ (vgl. Apg. 2,5), die den Aposteln zuhörten, wie sie von den wunderbaren Werken Gottes erzählten.
Diese Kirche, dieses neue Volk Gottes, dieser mystische Leib Christi betet. Sein öffentliches Gebet ist die Stimme Christi und der Kirche, seiner Braut. Haupt und Glieder. Die Liturgie ist Ausübung des Priesteramtes Jesu Christi. In ihr wird der öffentliche Gottesdienst von der gesamten Kirche beziehungsweise von Christus erfüllt, der damit seine Glieder an sich bindet.
„Infolgedessen ist jede liturgische Feier als Werk Christi, des Priesters, und seines Leibes, der die Kirche ist, in vorzüglichem Sinn heilige Handlung, deren Wirksamkeit kein anderes Tun der Kirche an Rang und Maß erreicht.“ (Sacrosanctum Concilium, 7). Die heilige Quelle der Liturgie versorgt uns alle, die wir nach der Gnade der Erlösung dürsten, mit lebendigem Wasser (vgl. Joh. 4,10).
Das Bewusstsein, dass Jesus Christus der oberste Priester bei jeder liturgischen Handlung ist, sollte in uns große Ehrerbietung wecken. Wie der heilige Augustinus sagt: „Bitte für uns als unser Priester; bitte für uns als unser Herr; von uns angebetet als unser Gott. Wir erkennen also in Ihm unsere Stimme und in uns Seine Stimme“ (Enarratio in Psalmum, 85; CCL 39, 1176).

2. Unterschiedliche Riten in der Kirche
In der heiligen Liturgie zelebriert die Kirche die Mysterien Christi mittels Zeichen, Symbolen, Gesten, Bewegungen, materiellen Elementen und Worten. Bei unserer Überlegung werden wir uns auf die bei der Anbetung Gottes nach römischem beziehungsweise lateinischem Ritus verwendeten Worten konzentrieren.
Die Schlüsselelemente der heiligen Liturgie, nämlich die sieben Sakramente, erfahren wir von unserem Herrn Jesus Christus selbst. In dem Maße wie sich die Kirche allmählich verbreitete und unter den verschiedenen Völkern und Kulturen wuchs, wurden auch unterschiedliche Arten für die Zelebrierung der Mysterien Gottes entwickelt. So können wir vier ursprüngliche Liturgieformen unterscheiden: die antiochenische, die alexandrinische, die römische und die gallikanische.
Sie wiederum waren der Anfang für neun Hauptriten der heutigen katholischen Kirche: in der lateinischen Kirche dominiert der römische Ritus; in den Ostkirchen finden wir den byzantinischen Ritus, den armenischen, den chaldäischen, den koptischen, den äthiopischen, den malabarischen Ritus, den der Maroniten und der Syrer. Jeder „Ritus“ stellt eine Mischung aus Liturgie, Theologie, Spiritualität und kanonischem Recht dar. Die Grundmerkmale gehen auf die ersten Jahrhunderte zurück, die wesentlichen Züge auf die Zeit der Apostel, wenn nicht gar auf die Zeit unseres Herrn.
Der römische Ritus, der Gegenstand unserer Betrachtung ist, ist - wie bereits gesagt - in unserer heutigen Zeit vorherrschender liturgischer Ausdruck der kirchlichen Kultur, den wir eben „Römischen Ritus“ nennen. Wie ihr sicher wisst, gibt es innerhalb der Erzdiözese Mailand einen brüderlichen Ritus, der nach dem heiligen Ambrosius, dem großen Bischof Mailands, „Ambrosianischer Ritus“ genannt wird. An manchen Orten und zu besonderen Gelegenheiten wird in Spanien die Liturgie nach einem uralten hispanischen beziehungsweise Mozarabischen Ritus zelebriert. Dies sind zwei ehrenwerte Ausnahmen, die wir hier nicht näher behandeln werden.
Die Kirche Roms bediente sich von Beginn an des Griechischen. Erst allmählich wurde das Lateinische eingeführt, bis dann die Kirche Roms schließlich im 4. Jahrhundert endgültig latinisiert wurde (vgl. A.G. Martimort ed; „Die Kirche im Gebet“, Collegeville 1992, I, S. 161-165).
Der römische Ritus erfuhr weite Verbreitung im heutigen West-Europa und in den meist von europäischen Missionaren evangelisierten Ländern Asiens, Afrikas, Amerikas und Ozeaniens. Heute gibt es aufgrund der einfacheren Reisemöglichkeiten auch Katholiken anderer Riten (allgemein Ostkirchen genannt) in all diesen Kontinenten.
Die meisten dieser Riten verfügen über eine Originalsprache, wodurch jeder einzelne Ritus auch eine eigene historische Identität erhält. Der römische Ritus hat das Lateinische als offizielle Sprache. Die typischen Ausgaben seiner liturgischen Werke werden bis heute auf Lateinisch veröffentlicht.
Es ist ein wichtiger Aspekt, dass viele Religionen in der Welt beziehungsweise ihre wesentlichen Zweige eine ihnen zugehörige Sprache haben. Die jüdische Religion ist nicht denkbar ohne die hebräische Sprache; der Islam hat das Arabische als heilige Sprache im Koran. Der klassische Hinduismus betrachtet das Sanskrit als seine offizielle Sprache; die heiligen Texte des Buddhismus sind auf Pali geschrieben.
Es wäre oberflächlich diese Tendenz als esoterisch, seltsam oder altmodisch, alt oder mittelalterlich anzusehen. Das würde bedeuten, dass man eine feine Nuance der menschlichen Psychologie ignoriert. In Fragen der Religion tendieren die Menschen dazu das von den Ursprüngen Überkommene zu bewahren, die Art und Weise wie ihre Vorväter Religion und Gebet ausgedrückt haben. Die Erben heute hängen an den seit altersher verwendeten Worten und Formeln. Freilich kann eine Religion nicht mit einer Sprache identifiziert werden, doch die Art und Weise, in der sie verstanden wird, kann eine innere Bindung zu einem bestimmten, in ihrer klassischen Wachstumsperiode gebräuchlichen linguistischen Ausdruck darstellen.

3. Vorteile der römischen Liturgie
Wie bereits erwähnt, hatte das Lateinische im 4. Jahrhundert das Griechische als offizielle Sprache der Kirche von Rom ersetzt. Unter den lateinischen Kirchenvätern, die weitschweifend und schön auf lateinisch schrieben, sind der heilige Ambrosius (339-397) zu nennen, der heilige Augustinus (354-430), der heilige Leo der Große (gest. 461), sowie Papst Gregor der Große (540-604). Vor allem Papst Gregor war es, der das Lateinische in der heiligen Liturgie, in seinen Predigten und im allgemeinen Gebrauch in der Kirche zu höchster Vervollkommnung geführt hat.
Die Kirche nach römischem Ritus war von außerordentlichem missionarischem Dynamismus gekennzeichnet und dies erklärt, weshalb ein Großteil der Welt von den Bannerträgen des lateinischen Ritus evangelisiert wurde. Zahlreiche europäische Sprachen, die wir heute als modern ansehen, haben ihre Wurzeln in der lateinischen Sprache, manche mehr als andere, wie das Italienische; aber auch das Deutsche und das Englische haben viele lateinische Elemente.
Die Päpste und die römische Kirche hielten Latein aus mehreren Gründen für angebracht: Es ist die richtige Sprache für eine Kirche, die sich als Universalkirche versteht; eine Kirche, in der sich alle Völker, alle Sprachen und Kulturen heimisch fühlen sollten, und wo niemand als Fremder angesehen wird. Zudem besitzt das Lateinische eine gewisse Stabilität, die die alltäglich gesprochenen Sprachen - in denen Wortinhalte sich häufig in den Nuancen ändern - nicht haben können.
Ein Beispiel dafür ist die Übersetzung des lateinischen Wortes „propagare“. Die Kongregation für die Evangelisierung der Völker wurde bei ihrer Gründung 1627 „Sacra Congregatio de Propaganda Fide“ genannt. Aber zur Zeit des II. Vatikanischen Konzils verwendeten viele moderne Sprachen den Terminus „propaganda“ im Sinne des heutigen „politische Propaganda“. Deshalb vermeidet die Kirche heute lieber den Ausdruck „de propaganda fide“ und zieht stattdessen „Evangelisierung der Völker“ vor.
Das Lateinische zeichnet sich dadurch aus, dass es Worte und Ausdrücke hat, die ihre Bedeutung von Generation zu Generation beibehalten. Dies ist ein Vorteil, wenn es nämlich darum geht unseren katholischen Glauben in Worte zu fassen und päpstliche Dokumente oder andere Kirchentexte zu verfassen. Auch die modernen Universitäten schätzen diese Eigenschaft, und einige ihrer feierlichen Abschluss-Titel sind noch immer lateinisch.
Der selige Papst Johannes XXIII. nennt in seiner Apostolischen Konstitution, Veterum Sapentia, die am 22. Februar 1962 veröffentlicht wurde, eben diese beiden Gründe und fügt noch einen dritten hinzu: die lateinische Sprache besitzt eine nicht unerhebliche edle Würde (vgl. Veterum Sapientia, 5, 6, 7). Und wir können außerdem sagen, dass das Lateinische knapp, präzise und poetisch gemäßigt ist.
Ist es etwa nicht wunderbar, dass Menschen - und vor allem Geistliche - wenn sie eine gute Bildung besitzen, sich auf internationalen Versammlungen treffen können und in der Lage sind wenigstens auf Lateinisch zu kommunizieren? Noch wichtiger ist vielleicht, dass mehr als eine Million junge Menschen sich 2000 in Rom, 2002 in Toronto, 2005 in Köln zum Weltjugendtag getroffen und Teile der Messe und vor allem das Credo auf Lateinisch gesunden haben. Die Theologen können die Originaltexte der ersten lateinischen Väter und der Scholastiker ohne allzu große Schwierigkeiten studieren, da diese Texte auf Lateinisch geschrieben sind.
Es ist richtig, dass die Tendenz besteht - sowohl kirchenintern als weltweit - den modernen Sprachen vermehrt Aufmerksamkeit zu schenken, wie zum Beispiel dem Englischen, dem Französischen oder dem Spanischen, denn sie können uns helfen auf dem modernen Arbeitsmarkt oder in einem Außenministerium schneller einen Arbeitsplatz zu finden.
Dennoch behält die Ermahnung von Papst Benedikt XVI. an die Studenten der altphilologischen und christlichen Fakultät der Päpstlichen Salesiana (Pontificia Universita' Salesiana di Roma) in Rom anlässlich der Generalaudienz vom Mittwoch dem 22. Februar 2006 ihre Gültigkeit und Relevanz. Und er hat diese Ermahnung auf Lateinisch gesagt!
Hier eine freie Übersetzung: „Zu Recht hatten unsere Vorgänger auf dem Studium der großartigen Sprache Latein bestanden, damit man die in den kirchlichen und humanistischen Disziplinen enthaltene Heilslehre besser lernen könne. In diesem Sinne fordern wir euch auf diese Tätigkeit weiter zu kultivieren um zu gewährleisten, dass möglichst viele Menschen Zugang zu diesem Schatz finden und seine Bedeutung erfassen können.“ (Osservatore Romano Nr. 45, vom 23.2.2006, S. 5).

4. Der Gregorianische Gesang
„Ihre vornehmste Form nimmt die liturgische Handlung an, wenn der Gottesdienst feierlich mit Gesang gehalten wird“ (Sacrosanctum Concilium, 113). Ein altes Sprichwort besagt: bis orat qui bene cantat, was soviel bedeutet wie: wer singt betet doppelt, weil die durch den Gesang vermehrte Intensität des Gebets seine Kraft und Wirkung noch erhöht (vgl. Paul VI.: Rede vor der Schola Cantorum italiana, 25. September 1977, Notitiae 136, November 1997, S. 475).
Gute Musik nützt dem Gebet und der Erhebung der Seelen der Gläubigen hin zu Gott und trägt dazu bei die Menschen die Güte Gottes erproben zu lassen. Im lateinischen Ritus ist das, was als „gregorianischer Gesang“ bekannt ist, stets traditionell gewesen. Einen charakteristischen liturgischen Gesang gab es in der Tat in Rom schon vor Gregor dem Großen (gest. 604). Aber er war es, der dem Gesang zu seiner herausragenden Rolle verholfen hat. Nach Gregor dem Großen entwickelte sich die Tradition des Gesangs weiter und wurde reicher bis hin zu den Umwälzungen, die das Ende des Mittelalters zeichneten. Die Klöster und insbesondere die Benediktinerklöster haben viel zur Erhaltung dieser Tradition beigetragen.
Merkmal des gregorianischen Gesangs ist eine meditative, bewegende Kadenz. Er dringt bis in die Tiefen der Seele. Er bringt Freude zum Ausdruck, Bedauern, Reue, Bitten, Hoffnung, Lob oder Dank und kann das besondere Fest als Teil der Messe oder als anderes Gebet aufzeigen. Er lässt die Psalmen lebendiger werden; besitzt eine universelle Anziehungskraft, die so geeignet für alle Kulturen und alle Völker macht. Er ist in Rom ebenso geschätzt wie in Solemses, in Lagos wie in Toronto und Caracas. Er klingt in den Kathedralen, in den Seminaren, an Wallfahrtsorten, in Pilgerzentren oder auch in den traditionellen Kirchengemeinden.
Der Heilige Vater Papst Pius X. zelebrierte den gregorianischen Gesang 1904 (Tra le Sollecitudini, 3). Das II. Vatikanische Konzil lobte ihn 1963: „Die Kirche betrachtet den Gregorianischen Choral als den der römischen Liturgie eigenen Gesang; demgemäß soll er in ihren liturgischen Handlungen, wenn im übrigen die gleichen Voraussetzungen gegeben sind, den ersten Platz einnehmen.“ (Sacrosanctum Concilium, 116).
Der Diener Gottes, Papst Johannes Paul II. wiederholte dieses Lob 2003 (vgl. Chirograph anlässlich des 100. Jahrestages von Tra le Sollecitudini, 4-7; in Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung Spirtus et Sponsa, 2004, S. 130). Papst Benedikt XVI. ermutigte die international anlässlich des Treffens in Rom Ende 2005, bei dem dem gregorianischen Gesang eine Vorrangstellung zugesprochen wurde. In Rom wie auf der ganzen Welt ist die Kirche gesegnet mit vielen wichtigen Chören - auf professioneller wie auf Laienebene - den Gesang wunderschön interpretieren und ihre Begeisterung dafür weitertragen.
Es stimmt nicht, dass gläubige Laien den gregorianischen Gesang nicht praktizieren wollen. Was sie fordern ist, dass die Priester, die Mönche und Nonnen diesen Schatz mit ihnen teilen. Die von den Benediktinermönchen von Silos an ihrem Ordenssitz in Solesmes und von vielen anderen Gemeinden herausgegebenen CDs werden unter den jungen Leuten viel verkauft. Die Klöster werden von Personen besucht, die Lobgesänge und vor allem die Vespern singen wollen.
Während der Feier zur Weihe von elf Priestern, die ich im vergangenen Juli in Nigeria zelebriert habe, haben ungefähr 150 Geistliche das erste eucharistische Hochgebet auf Lateinisch gesungen. Es war sehr schön, und die anwesenden Gläubigen haben dies sehr geschätzt auch wenn sie keine lateinischen Schriftgelehrten waren. Es sollte ganz normal sein, dass in den Gemeinden, in denen am Sonntag vier oder fünf Messen gelesen werden, eine auf Lateinisch gesungen wird.
5. Hat das Zweite Vatikanische Konzil den Gebrauch des Lateinischen entmutigt?
Manche glauben oder haben den Eindruck, dass das II. Vatikanische Konzil den Gebrauch des Lateinischen in der Liturgie entmutigt habe. Dem ist aber nicht so.
Unmittelbar vor Eröffnung des Konzils schrieb der selige Papst Johannes XXIII. 1962 eine Apostolische Konstitution, in der er auf dem Gebrauch des Lateinischen in der Kirche besteht.
Das II. Vatikanische Konzil selbst bestand trotz eines gewissen Umfangs der Volkssprache auf der Position des Lateinischen: „Der Gebrauch der lateinischen Sprache soll in den lateinischen Riten erhalten bleiben, soweit nicht Sonderrecht entgegensteht.“ (Sacrosanctum Concilium, 36). Das Konzil forderte auch von den Seminaristen dass sie „so viel Latein lernen sollen, daß sie die zahlreichen wissenschaftlichen Quellen und die kirchlichen Dokumente verstehen und benützen können.“ (Optatam Totius, 13). Das 1983 veröffentliche Kirchenrechtsgesetzbuch stellt fest: „Die Feier der Eucharistie ist in lateinischer Sprache oder in einer anderen Sprache zu vollziehen, sofern nur die liturgischen Texte rechtmäßig genehmigt sind.“ (Kodex des Kanonischen Rechts, Can. 928).

Diejenigen, die den Eindruck erwecken möchten, dass die Kirche das Lateinische aus der Liturgie entfernen wolle, irren sich. Wie eine gut zelebrierte lateinische Liturgie von den Leuten aufgenommen wird, zeigte sich auf internationaler Ebene im April 2005, als Millionen Menschen im Fernsehen die Begräbnisfeier von Papst Johannes Paul II. und zwei Wochen später die Krönung von Papst Benedikt XVI. mitverfolgten.

Wichtig ist, dass die jungen Menschen es gern haben, wenn die Messe manchmal auf Lateinisch zelebriert wird. Freilich fehlt es dabei nicht an Problemen. Es kommen manchmal auch Missverständnisse vor oder die Priester haben eine falsche Einstellung zum Gebrauch des Lateinischen. Um aber die Frage gezielter angehen zu können ist es zunächst nötig den Gebrauch der Mundart in der Liturgie nach römischem Ritus von heute zu untersuchen.

6. Die Volkssprache. Einführung. Verbreitung. Bedingungen
Die Einführung der Lokalsprachen in die heilige Liturgie nach römischem Ritus war nicht eine plötzliche Sache. Nach teilweiser, in einigen Ländern in den vorangegangenen Jahren gemachter Erfahrung verabschiedeten die Väter des II. Vatikanischen Konzils bereits am 5. und 6. Dezember 1962 nach langen und heftigen Debatten den Grundsatz, nach dem der Gebrauch der Muttersprache in der Messe oder an anderen Stellen der Liturgie für die Leute von Vorteil sein konnte. Im folgenden Jahr stimmte das Konzil für die Anwendung dieses Grundsatzes auf die Messe, für das Stunden- und Liturgieritual (vgl. Sacrosanctorum Concilium 36,54,63,76,78,101).
Daraufhin wurde der Gebrauch der Volkssprache weiter ausgedehnt. Aber als ob die Konzilsväter voraussehen konnten, dass das Lateinische möglicherweise mehr und mehr an Bedeutung verliert, bestanden sie auf seiner Beibehaltung.
Wie bereits erwähnt beginnt der Artikel 36 der Konstitution der Heiligen Liturgie mit der Bestimmung, dass der Gebrauch der lateinischen Sprache abgesehen im Fall von besonderen Rechten, in den lateinischen Riten beibehalten werden soll. Art. 54 gibt die zu befolgenden Schritte vor, „daß die Christgläubigen die ihnen zukommenden Teile des Meß-Ordinariums auch lateinisch miteinander sprechen oder singen können.“
Bei der Zelebrierung der Stundenliturgie wird gemäß der jahrhundertealten Tradition des lateinischen Ritus von den Geistlichen gefordert, dass sie die lateinische Sprache beibehalten werden soll (vgl. SC, 101).
Aber trotz Festsetzung von Grenzen haben die Konzilsväter doch die Möglichkeit eines ausgedehnteren Gebrauchs der Volkssprache antizipiert. Art. 54 fügt in der Tat hinzu: „Wenn indes darüber hinaus irgendwo der Gebrauch der Muttersprache bei der Messe in weiterem Umfang angebracht zu sein scheint, so ist die Vorschrift des Artikels 40 dieser Konstitution einzuhalten.“ Art.40 liefert Leitlinien über die Rolle der Bischofskonferenzen und des Vatikan in einer solch heiklen Angelegenheit.
Die Volkssprache war somit eingeführt. Der Rest ist Geschichte. Die Entwicklung verlief so rasch, dass heute einige Geistliche, Ordensleute und gläubige Laien sich der Tatsache gar nicht mehr bewusst sind, dass das II. Vatikanische Konzil die Vulgärsprache nicht in allen Teilen der Liturgie eingeführt hat.
Forderungen und Ausdehnung des Gebrauchs der Volkssprache ließen nicht auf sich warten. Auf eine dringende Forderung seitens einiger Bischofskonferenzen hin genehmigte Papst Paul VI. zunächst den Gebrauch der Volkssprache bei der Zelebrierung des Vorspanns der Messe (vgl. Brief des Kardinal-Staatssekretärs vom 27.April 1965), später des ganzen Kanons und der Weihegebete im Jahr 1967.
Schließlich veröffentlichte die Kongregation für den Gottesdienst am 14. Juni 1971 eine Verlautbarung, in der festgelegt wurde, dass die Bischofskonferenzen den Gebrauch der Volkssprache bei allen Messtexten genehmigen konnten und dass jeder Bischof diese Genehmigung für die chorale oder private Stundenliturgie erteilen konnte. (zur Gesamtentwicklung siehe A.G. Martimort: Il dialogo fra Dio e il suo popolo, in A.G. Martimort: La Chiesa in preghiera, I, S.166)
Die Gründe für die Einführung der Muttersprache sind nicht schwer zu erfassen. Es wurde dadurch ein besseres Verständnis dessen möglich, was die Kirche betet, denn es ist ja der brennende Wunsch der Mutter Kirche, dass „alle Gläubigen zu der vollen, bewußten und tätigen Teilnahme an den liturgischen Feiern geführt werden möchten, wie sie das Wesen der Liturgie selbst verlangt und zu der das christliche Volk, … kraft der Taufe berechtigt und verpflichtet ist.“ (SC 14).
Und es ist auch leicht vorstellbar wie kompliziert und heikel sich die Übersetzungsarbeit darstellt. Noch schwieriger ist die Frage der Anpassung und Inkulturation vor allem wenn wir an die Heiligkeit der Sakramentsriten denken, an die jahrhundertealte Tradition des lateinischen Ritus und an die enge Verbindung zwischen Glauben und Gottesdienst, der in der alten Formel „lex orandi lex credendi“ wiedergegeben ist.
Kommen wir nun zu der leidigen Frage der Übersetzungen der Liturgie in die Volkssprache.

7. Die Übersetzungen in die Volkssprache
Die Übersetzung von liturgischen Texten aus dem lateinischen Original in die verschiedenen Volkssprachen ist ein wichtiges Element im Leben des Gebets der Kirche. Es ist dies nicht eine Frage privaten Gebets, sondern des öffentlichen, von der Heiligen Mutter Kirche geschenkten Gebets, deren Haupt Christus ist.
Die lateinischen Texte wurden sehr sorgfältig im Hinblick auf die Lehre erarbeitet, mit einer präzisen Diktion, die „in der Sprache genau und von jeder ideologischen Tendenz frei ist. Im übrigen sollen sie sich durch jene Eigenschaften auszeichnen, durch die die heiligen Mysterien des Heils und der unversehrte Glaube der Kirche mit Hilfe der menschlichen Sprache wirksam in Gebet gefasst werden und Gott, der der höchste ist, der angemessene Kult erwiesen wird“. (Liturgiam Authenticam, 3).
Die in der heiligen Liturgie verwendeten Worte demonstrieren den Glauben der Kirche und sind von ihr geleitet. Die Kirche muss daher bei der Organisation, Erarbeitung und Genehmigung der Übersetzung große Sorgfalt anwenden, sodass auch nicht ein einziges unpassendes Wort von einem Individuum in die Liturgie eingebracht werden kann, die vielleicht einen persönlichen Zweck damit verfolgt oder ganz einfach sich nur des Ernstes der Riten bewusst ist.
Deshalb sollen die Übersetzungen dem lateinischen Originaltext getreu sein. Es dürfen keine freien Kompositionen sein. In der Liturgiam Authenticam heißt es dazu: „dass die Übersetzung der liturgischen Texte der römischen Liturgie nicht in erster Linie ein kreatives Werk ist, sondern vielmehr erfordert, die Originaltexte in die Volkssprache getreu und genau zu übertragen“ (Nr. 20)
Der Geist des lateinischen Ritus sollte gewahrt bleiben. Die dreifache Wiederholung ist eine seiner Merkmale. Beispiele sind: „mea culpa, mea culpa, mea maxima culpa“; „Kyrie Eleison, Christe Eleison, Kyrie Eleison“; „Agnus Dei qui tollis...“ - dreimal. Ein aufmerksames Studium des „Gloria in Excvelsis Deo“ lässt ebenfalls „Dreifachformeln“ entdecken. Diese dürfen in den Übersetzungen weder entfernt noch sinnentleert werden.
Die lateinische Liturgie drückt nicht nur Fakten aus, sondern auch Gefühle, Empfindungen beispielsweise angesichts der Transzendenz Gottes, seiner Herrlichkeit, seiner Barmherzigkeit und seiner unendlichen Liebe (vgl. Liturgiam Authenticam, 25). Ausdrücke wie „Te igitur, cementissime Pater“, „Supplices te rogamus“, „Propitius esto“, „veneremur cernui“, „Omnipotens et misericors Dominus“, „nos servi tui“, dürfen nicht durch eine ikonoklastische Übersetzung entleert oder demokratisiert werden.
Einige dieser lateinischen Formeln sind schwer zu übersetzen. Bessere Experten im Bereich der Liturgie, der Klassiker, der Patrologie, Theologie und Spiritualität, sowie im Bereich von Musik und Literatur sind erforderlich, damit Übersetzungen entstehen können, die auf den Lippen der Heiligen Mutter Kirche schön klingen. Die Übersetzungen sollten Ehrerbietung, Dankbarkeit und Anbetung gegenüber der transzendenten Macht Gottes und des menschlichen Dürstens nach Gott widerspiegeln, die in den lateinischen Texten ganz klar zum Ausdruck kommen.
Papst Benedikt XVI. hat in seiner Botschaft für die Versammlung des englischen Komitees von „Vox Clara“ am 9. November 2005 von Übersetzungen gesprochen, denen es gelingt die Schätze des Glaubens und die liturgische Tradition im spezifischen Kontext einer demütigen und ehrerbietigen Eucharistiefeier zu vermitteln.“ (aus: Notitiae, 471-472; November-Dezember 2995, S. 557).
Viele liturgische Texte sind reich an Bibelzitaten, Zeichen und Symbolen; enthalten Gebetsmodelle die auf die Psalmen zurückgehen. Der Übersetzer darf dies nicht außer Acht lassen.
Eine heute von Millionen Menschen gesprochene Sprache besitzt zweifellos viele Nuancen und Variationen. Es besteht ein Unterschied zwischen dem Englisch, das in der Verfassung eines Landes verwendet wird, dem von einem Staatspräsidenten gesprochenen, der Umgangssprache von Hafenarbeitern oder der Sprache von Studenten oder der Unterhaltungssprache von Eltern und Kindern.
Die Art sich auszudrücken kann nicht dieselbe in all diesen Situationen sein, auch wenn sich alle des Englischen bedienen. Welche Form sollte bei den liturgischen Übersetzungen angewandt werden? Ohne Zweifel sollte die Volkssprache in der Liturgie verständlich und leicht aussprechbar und begreiflich sein. Gleichzeitig sollte sie aber auch würdig, klar, fest und nicht häufigen Veränderungen ausgesetzt sein.
Sie dürfte sich nicht scheuen auch Worte zu verwenden, die im allgemeinen Sprachgebrauch nicht häufig vorkommen, oder auch Worte, die mit dem katholischen Glauben und Gottesdienst assoziiert sind. So sollte man „Kelch“ sagen und nicht einfach „Becher“; „Patena“ und nicht „Teller“; „Ziborium“ und nicht „Gefäß“; „Geistlicher“ und nicht „Gottesdienst Abhaltender“; „Heilige Hostie“ und nicht „geheiligtes Brot“; „Gewand“ und nicht „Kleid“.
Deshalb bekräftigt die Liturgiam Authenticam: „Weil die Übersetzung den unvergänglichen Schatz der Gebete in einer Sprache wiedergeben muss, die im jeweiligen ‚kulturellen Zusammenhang’ verstanden werden kann, soll sie sich auch von der Überzeugung leiten lassen, dass das wahre liturgische Gebet nicht nur vom Geist der Kultur geprägt wird, sondern dass es selbst zur Prägung der Kultur beiträgt. Deshalb verwundert es nicht, dass es von der Umgangssprache abweichen kann.“ (Nr. 47).
Verständlich soll nicht heißen, dass jedes Wort von allen unmittelbar verstanden werden kann. Betrachten wir aufmerksam das Credo. Es ist ein „Symbol“, eine feierliche Erklärung, die unseren Glauben zusammenfasst. Die Kirche musste erst einige Generalkonzilien einberufen um eine präzise Artikulation einiger Artikel unseres Glaubens zu erreichen.
Nicht alle Katholiken verstehen in der Messe sofort und vollständig manche der katholischen liturgischen Formen, wie zum Beispiel die Inkarnation, die Erschaffung, die Passion, die Wiederauferstehung, die Wesensgleichheit mit dem Vater die vom Vater auf den Sohn übergeht, die Wandlung, die reelle Gegenwart und der allmächtige Gott. Und dies ist nicht eine frage des Englischen, Französischen, Italienischen, von Hindi oder Swahili.
Die Übersetzer dürfen nicht zu Ikonoklasten werden, die der Reihe nach das zerstören oder beeinträchtigen, was sie übersetzen. Nicht alles kann während der Liturgie erklärt werden. Die Liturgie erschöpft nicht die gesamte Handlung der Kirche (vgl. Sacrosanctum Concilium, 9). Es ist auch Theologie nötig, Katechese und Predigt. Und auch im Falle einer guten Katechese bleibt ein Mysterium unseres Glaubens doch immer ein Mysterium.
In Wirklichkeit können wir sagen, dass das Wichtigste am göttlichen Kult nicht darin besteht jedes Wort oder jeden Begriff zu verstehen. Nein; das Wichtigste ist, dass wir eine Haltung der Ehrerbietung und der Furcht vor Gott annehmen, dass wir anbeten, loben und danken. Das heilige, die Dinge Gottes müssen ohne vorgefasste Meinungen angegangen werden.
Im Gebet ist Sprache zu allererst ein Kontakt zu Gott. Ohne Zweifel dient die Sprache auch der verständlichen Kommunikation zwischen menschlichen Wesen. Aber der Kontakt zu Gott hat Vorrang. In der Mystik nähert sich dieser Kontakt dem Unaussprechlichen, dem mystischen Schweigen wo es keine Sprache mehr gibt, und erreicht es zuweilen auch.
Es ist also nicht erstaunlich, dass die liturgische Sprache sich in gewisser Hinsicht von unserer Alltagssprache unterscheidet. Die liturgische Sprache versucht das christliche Gebet auszudrücken, in dem die Mysterien Christi zelebriert werden.
Gleichsam zur Zusammenfassung dieser verschiedenen, für gute liturgische Übersetzungen notwendigen Elemente gestatte ich mir die Rede von Papst Johannes Paul II. vor den amerikanischen Bischöfen aus Kalifornien, Nevada und Hawaii während ihres Besuches in Rom 1993 zu zitieren. Der Papst bat sie die Ganzheit der Lehre und die Schönheit der Originaltexte beizubehalten.
Eine unserer Verantwortlichkeiten in dieser Hinsicht besteht darin angemessene Übersetzungen von den offiziellen liturgischen Büchern zu liefern, sodass sie nach Überprüfung und Bestätigung seitens des Heiligen Stuhls als Werkzeug und Garantie für ein echtes Aufgehen im Mysterium Christi und der Kirche dienen können. Lex orandi, lex credendi.
Vordringlichste Aufgabe der Übersetzung ist es darauf zu achten, dass die Integrität der Lehre vollständig beibehalten wird und - je nach dem Genius der einzelnen Sprachen - auch die Schönheit der Originaltexte. Wenn so viele Menschen nach dem lebendigen Gott dürsten - dessen Macht und Barmherzigkeit Zentrum des liturgischen Gebets sind - so muss die Kirche mit einer Sprache des Lobes und des Kultes antworten, die die Achtung und Dankbarkeit für die Größe Gottes , für sein Erbarmen und seine Macht herausstellt. Wenn sich die Gläubigen zur Feier des Werkes unseres Erlösers zusammenfinden, soll die Sprache des Gebets - frei von theoretischen Zweideutigkeiten oder theologischen Einflüssen - die Würde und Schönheit der Feier selbst betonen und dabei getreu den Glauben der Kirche und ihre Einheit wiedergeben. (Aus: Lehren von Johannes Paul II., XVI, 2 , 1993; S. 1399-1400).
Aus diesen Überlegungen folgt, dass die Kirche eine aufmerksame Autorität gegenüber den liturgischen Übersetzungen ausüben muss. Die Verantwortung für die Übersetzung von Texten liegt bei der Bischofskonferenz, die die Übersetzungen dem Heiligen Stuhl zur notwendigen Genehmigung unterbreitet (vgl. SC 36; C.I.C. Can. 838; Lit. Authenticam, 80).
Das hat zur Folge, dass kein Individuum - nicht einmal ein Geistlicher oder Diakon - befugt ist die in der heiligen Liturgie genehmigte Diktion zu verändern. Und das entspricht auch dem gesunden Menschenverstand. Manchmal aber ist dieser gesunde Menschenverstand nicht besonders verbreitet. Deshalb musste Redemptionis Sacramentum ausdrücklich sagen, dass „jener tadelnswerte Brauch beendet wird mit dem Priester, Diakone oder auch die Gläubigen nach eigener Willkür hier und dort die von ihnen gesprochenen Texte der heiligen Liturgie verändern. Auf diese Weise machen sie in der Tat die Feier der heiligen Liturgie instabil und nicht selten verändern sie deren authentischen Sinn.“ (vgl. Red. Sacramentum, 59 s. auch Istruzione Generale sul Messale Romano Nr. 24)

8. Was wird von uns erwartet?
Zum Abschluss dieser Überlegungen können wir uns fragen, was von uns erwartet wird. Wir sollten unser Bestes tun um die Sprache zu schätzen, die die Kirche in der Liturgie verwendet, und unsere Herzen und Stimmen gemäß den Vorgaben eines jeden liturgischen Ritus vereinen. Nicht alle können Latein, aber die gläubigen Laien können zumindest die einfachsten Formeln auf Lateinisch lernen.
Die Geistlichen müssten mehr Aufmerksamkeit dem Lateinischen schenken und hin und wider eine Messe auf Lateinisch zelebrieren. In den großen Kirchen, in denen an Sonn- und Feiertagen viele Messen gelesen werden, könnte man doch eine davon auf Lateinisch zelebrieren?
In den internationalen Versammlungen ist das lateinische noch wichtiger. Daraus folgt, dass in den Priesterseminaren die Ausbildung der Geistlichen auch sorgfältig den Gebrauch des Lateinischen beinhalten muss. (vgl. Oktober 2005, Bischofssynode, Vorschl. 36).
Alle diejenigen, die für Übersetzungen in die Volkssprache verantwortlich sind, sollten sich darum bemühen ihr bestes zu geben und dabei nach dem Führer der Kirchendokumente und insbesondere nach der Liturgiam Autenticam, vorgehen. Die Erfahrung lehrt, dass es nicht überflüssig ist festzustellen, dass alle diejenigen, die liturgische Texte rezitieren, diese klar und mit der nötigen Ehrerbietung lesen müssen.
Sprache ist nicht alles. Aber sie ist eines der wichtigsten Instrumente, die große Aufmerksamkeit verdienen, damit gute Zelebrierungen auch schön und reich an Glauben sind. Es ist eine große Ehre für uns im öffentlichen Gebet Teil der Stimme der Kirche zu sein. Die heilige Jungfrau Maria, Mutter des menschgewordenen Wortes, dessen Geheimnisse wir in der heiligen Liturgie feiern, möge für uns die Gnade erwirken, dass wir mit unserem Gesang zum Lob des Herrn sowohl in lateinischer Sprache als auch in der Volkssprache beitragen können.
† Francis Kardinal Arinze